Montag, November 21, 2005

Prozessbegleitende Informations- und Lernsysteme - die neue Dimension des Learning by doing

*Dr. Andreas Würgler

Was bisher bereits zu den SW-Programmen als Hilfen abgerufen werden konnte, wird bald ganz selbstverständlich auch zu den einzelnen Prozessschritten angeboten. Die Möglichkeit, integriert in den Workflow nach Schlagworten Informationen zu einem Themenbereich abzurufen oder innerhalb von festgelegten Communities mittels Fragestellungen um Unterstützung zu bitten, führt zu einer ganz neuen Bedeutung für das Learning by doing.

Ausgangslage und Lösungsansatz

Heute wird von der lebenslangen Fortbildung gesprochen. Der Besuch von Kursen, Seminaren oder Workshops vermittelt neue Kenntnisse, regt unsere Phantasie und Kreativität an, verwickelt uns in Diskussionen mit anderen Menschen oder offenbart uns die Einsicht, dass wir mit Schwierigkeiten und Problemstellungen nicht alleine stehen. Das ist die eine wichtige Möglichkeit sich den rasch wandelnden Herausforderungen unserer Zeit zu stellen. Es zeichnet sich jetzt allerdings ab, dass wir uns zusätzlich dazu eine moderne Variante des Learning by doing zu Nutze machen und damit unsere Fachkompetenz massiv ausdehnen können. Unter Einsatz von gängiger Standardsoftware ist es möglich, die Prozessketten begleitende Informationen bereitzustellen. Auftauchende Fragen bei den Bearbeitungsprozessen lassen sich in der Phase der direkten Betroffenheit in einen Schlagwortkatalog eingeben. Die Antworten werden in Form von kurzen Erläuterungen, Empfehlungen, Handlungsanweisungen, Hinweisen auf Fachartikel usw. sofort gefunden. Ist noch kein Schlagwort vorhanden, dann stellen wir einer festgelegten Community gezielte Fragen. Dies verbunden mit der Bitte, vor dem Hintergrund der vorhandenen Erfahrungen Hilfestellung zu leisten.

Learning by doing – dieser Ausdruck ist von Baron Robert Stephenson Smyth geprägt worden. Der Mann ist unter dem Namen Baden-Powell besser bekannt und wie die Pfadfinder versetzen uns die neuen Möglichkeiten der Informationsbeschaffung am Arbeitsplatz nun in den Status: allzeit bereit. Business Intelligence-Tools lassen uns Informationen zu Themen abrufen, welche uns bei der Abwicklung unserer Aufgaben unmittelbar beschäftigen. Als Ergänzung kann der Appell an ArbeitskollegInnen dienen, die über einen entsprechenden Erfahrungshintergrund verfügen und spontan ihre Unterstützung anbieten können.

Investitionsarmes Projekt mit vielfältigem Wirkungsspektrum

Das Projekt ist in technischer Hinsicht nicht anspruchsvoll. Eine Reihe von standardmässig verfügbaren Business Intelligence-Tools sowie Weblog-SW vermögen den gestellten Anforderungen zu genügen. Werden bei der konzeptionellen Gestaltung und der Umsetzung die entsprechenden Erfahrungswerte aus Führungssystemen und Medienbereich entsprechend berücksichtigt, so ist auch diese Herausforderung gut zu bewältigen. Allerdings – die Inhalte sind stets unternehmensspezifisch geprägt. Es gibt daher her keine Lösung von der Stange. Auch die Wartung darf nicht zu kurz kommen, da sich der potentiell vorhandene Nutzen sonst nicht realisieren lässt.

Eine entsprechende Identifikation bei den Prozessownern und eine angemessene Pflege vorausgesetzt, weisen derartige Projekte ein breites Wirkungsspektrum verbunden mit einer überaus interessanten Kosten-Nutzenrelation auf. Auch die potentiellen Nachteile des E-Learnings bestehend aus einem Mangel an sozialen Bindungen sowie der Gefahr von Missdeutungen von Inhalten machen sich kaum bemerkbar. Zudem sind das Interesse und die subjektive Betroffenheit für die in Verbindung mit der Problemstellung gesuchten Informationen ausgeprägt gegeben. Dies begünstigt die Aufnahmefähigkeit der angebotenen Inhalte.
Des weiteren machen sich die positiven Effekte sowohl arbeitgeber- wie arbeitnehmerseitig bemerkbar. Das fördert eine zügige Nutzung derartiger Lösungen. Die wichtigsten Aspekte der prozessbegleitenden Informations- und Lernsysteme seien zum besseren Verständnis nachstehend kurz erläutert.

Effizienzsteigerung und Schnelligkeit
Geschäftsprozesse werden heute in der Regel hoch automatisiert von IKT-Lösungen begleitet. Untersuchungen haben allerdings aufgezeigt, dass es immer wieder Fälle zu bearbeiten gibt, die den 7- bis 10fachen Aufwand gegenüber dem Normalfall verursachen. Es handelt sich hierbei um Ausnahmen, Sonderfälle. Das bedeutet, dass entsprechende Informationen und Kenntnisse fehlen. Mühsame Nachfrage- und Suchprozesse, Störung der KollegenInnen, eine zögerliche Bearbeitung und Kundenreklamationen sind die Folge. Hier können die prozessbegleitenden Informationssysteme einen entscheidenden Beitrag zur Steigerung der Effizienz leisten. Die schnelle Zugriffsmöglichkeit auf ein System mit helfenden Informationen aus dem Bearbeitungsprozess heraus vermindert die Wartezeiten, der Arbeitsfluss wird zügiger und erfolgt gleichmässiger.

Qualitätssteigerung und Lerneffekte
Die jederzeitige und überall vorhandene Möglichkeit zum Zugriff auf Erläuterungen und ergän-zende Informationen kann die Qualität der Geschäftsfallabwicklung wesentlich absichern. Zudem erhöht sich die Hemmschwelle, einen Geschäftsprozess auf Gutdünken hin und ohne vorherige Informationssicherheit abzuwickeln wesentlich.

Durch diesen Prozess der problemorientierten, sich aus den Geschäftsprozessen heraus ganz natürlich ergebenden Fragestellungen entsteht ein systemimmanenter Lernprozess. Dieser ist für das Aufgabenspektrum eines(r) MitarbeitersIn sehr ausgeprägt und überaus nachhaltig.

Gruppendynamik und Unternehmenskultur
Die Möglichkeit, sich mit Fragen und Problemen an eine festgelegte Community aus KollegenInnen zu richten, wirkt sich in gruppendynamischer Hinsicht positiv aus. Das gegenseitige Verständnis wird gefördert, eine kollegiale Grundhaltung gestärkt. Gemeinsam auch die schwierigen Fälle lösen zu können erhöht sowohl die Sach-, als auch die soziale Kompetenz. Das Team wird aufgewertet und erfahrene Mitglieder der Community erhalten die Chance, sich zu profilieren. Primus inter pares zu sein bringt Anerkennung und fördert den Wunsch aller, sich durch Hilfsbereitschaft und Wissen hervorzutun.

Diese positive gruppendynamische Konstellation kann allmählich auf die gesamte Unternehmenskultur übergehen. Zudem wird der natürliche Umgang mit Informtikmitteln geübt und als Selbstverständnis verinnerlicht. Die Widerstände gegen zweckmässige, wichtige Neuerungen nehmen ab und machen einer neugierig gespannten Erwartungshaltung platz.

Kundenzufriedenheit
Schliesslich und endlich profitiert von diesen veränderten Bedingungen vor allem der Kunde. Die erhöhte Reaktionsbereitschaft, die qualitativen Verbesserungen sowie die positiv gestimmte Belegschaft vermitteln ihm die Sicherheit kompetent betreut und bei diesem Unternehmen gut aufgehoben zu sein. Die Kundenbindung verstärkt sich. Die Perspektiven für ein Ansteigen des Auftragsvolumens sind gegeben.

*Dr. Andreas Würgler ist geschäftsführender Gesellschafter von WDP Projektmanagement, CH-4614 Hägendorf (E-Mail wuergler@wdpmc.ch /Homepage www.wdpmc.ch). Er befasst sich mit dem Aufbau von strategischen und operativen Führungs- und Informationssystemen. In seinem Fachbuch „Mobile Business für Manager“, Verlag Orell Füssli, befasst er sich zudem mit den Optionen mobiler Lösungen und Geschäftmodelle

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